Kunst trifft Kaffee: Das kreative Universum von Patty Nigri
Anlässlich der Eröffnung ihrer Ausstellung im 19grams Boxi haben wir Patty Nigri getroffen und sie alles gefragt, was uns auf dem Herzen brannte. Die Ausstellung ihrer Illustrationen geht noch bis Oktober 2025. Du kannst sie täglich bewundern, von 8-18 Uhr.
Das Wichtigste zuerst: Filter oder Espresso? (Wir müssen wissen, wo deine Kaffee-Loyalitäten liegt.)
Ja, ich denke, ich bevorzuge Espresso. Wenn ich Kaffee trinke, möchte ich das Beste aus ihm herausholen. Mein Lieblingskaffee ist eigentlich Cappuccino – aber nur, wenn er kräftig ist. Andernfalls ergibt es für mich keinen Sinn. Aufgewachsen bin ich jedoch mit Filterkaffee. In Brasilien ist das sehr verbreitet: Filterkaffee in der Thermoskanne, den ganzen Tag über. Das ist wunderbar – wirklich großartig.
Für diejenigen, die dich noch nicht kennen - wer ist Patty Nigri? Wie würdest du dich selbst in einem Satz beschreiben?
Ich bin Illustratorin – eine brasilianische Illustratorin, die in Berlin lebt.
Woher kommst du, und wo fühlst du dich derzeit zu Hause - geografisch, künstlerisch, emotional?
Das ist eine schöne Frage. Ich komme ursprünglich aus Rio de Janeiro. Seit fünf Jahren lebe ich im Ausland, und von allen Orten fühlt sich Berlin für mich am meisten wie ein Zuhause an. Als ich vor etwa dreieinhalb Jahren hierhergezogen bin, hatte ich sofort das Gefühl, angekommen zu sein. Seitdem ich mein Heimatland verlassen habe, ist Berlin der Ort, der sich meiner Vorstellung von Heimat am nächsten anfühlt.
War Kunst schon immer Teil deines Lebens? Warst du das Kind, das überall hingekritzelt hat, oder kam das erst später?
Überhaupt nicht. Zeichnen war damals eher die Sache meines Bruders – und er war sehr talentiert. Ich war noch zu jung, und er ließ mich nicht an seine Stifte oder Materialien. Also wurde das sein kreatives Feld – und meins war das Schreiben. Ich habe schon früh Gedichte verfasst, liebte es, zu lesen und eigene Texte zu schreiben. Das hat mir meine Familie mitgegeben. Mit dem Zeichnen habe ich tatsächlich erst 2021 begonnen. Ich bezeichne mich selbst als Spätzünderin. Lange Zeit wusste ich nicht genau, was meine Leidenschaft ist – ich hatte sie irgendwie verloren. Deshalb ist das Zeichnen für mich ein relativ neues Element, aber eines, das inzwischen eine zentrale Rolle spielt. Ich glaube, gute Dinge brauchen Zeit, um sich zu zeigen.
Wie fühlst du dich, wenn du malst?
Ich habe eine ungefähre Vorstellung davon, was ich tun möchte, und auch einen groben Plan. Aber während des kreativen Prozesses passieren oft unerwartete, magische Dinge. Ein Beispiel: Ich habe eine Illustration für das Plakat dieser Ausstellung gemacht. Anfangs dachte ich, es sei einfach ein weiterer Auftrag. Doch während des Arbeitens wurde mir klar, wie viel mir das bedeutet. Ich habe meine Großmutter gezeichnet – zum allerersten Mal – und dabei gespürt, wie besonders dieser Moment war. Der Prozess kann sehr magisch sein, wenn man offen bleibt für das, was entsteht.
Kannst du uns deinen Malprozess erläutern? Wie entsteht ein Werk bei dir normalerweise - von der Idee bis zum fertigen Werk?
Inzwischen bin ich organisierter und plane bewusster. Bei meiner ersten Ausstellung war vieles chaotisch – es hat sich einfach nicht zusammengefügt. Heute beginne ich meist mit einem Thema, das sowohl neue als auch bereits existierende Werke miteinander verbindet. Es geht mir dabei immer um etwas, das mich persönlich beschäftigt – aber auch andere ansprechen könnte. Denn auch wenn die Ausstellung sehr persönlich ist, wünsche ich mir, dass die Besucher*innen sich darin wiederfinden. In letzter Zeit habe ich viel über die verschiedenen Versionen unserer Selbst nachgedacht, über familiäre Prägungen, Menschen in unserem Leben, Orte und Umgebungen – all das, was unsere Identität beeinflusst. Das war mein Ausgangspunkt. Gleichzeitig ist der Prozess nach wie vor etwas chaotisch. Ich habe viele Ideen, und der schwierigste Schritt ist oft, eine Auswahl zu treffen: Was wird tatsächlich umgesetzt? Was wird ein fertiges Werk? Letztlich sieht man hier vielleicht 20 Prozent dessen, was ich mir ursprünglich überlegt habe. Es geht auch darum, realistisch zu bleiben.
Was inspiriert dich - in der Kunst, im Leben oder einfach an einem beliebigen Dienstag?
Jede Woche nehme ich mir zwei Stunden für ein sogenanntes „Künstlerdate“, bei dem ich etwas tue, das mein inneres Kind anspricht – etwas Zufälliges, Spielerisches. Ich liebe es, auf der Straße kleine Dinge zu entdecken, die meine Aufmerksamkeit fesseln. Etwas, das mich innerlich zum Klingen bringt. Daraus kann dann etwas Neues entstehen. Es sind oft genau diese kleinen Momente – nicht unbedingt große, überwältigende Eindrücke –, die mich am stärksten inspirieren.
Deine aktuelle Ausstellung bei 19grams Boxi trägt den Titel „We are multiple“. Was bedeutet das für dich, und wie spiegeln die Werke diese Idee wider?
Auf ganz unterschiedliche Weise. Ich habe viel darüber nachgedacht... Ich mag diese Vorstellung nicht, dass man entweder glücklich oder traurig ist. Für mich bedeutet Erwachsensein, dass beides gleichzeitig existieren kann – oft sogar die meiste Zeit. Vielleicht weint man, aber nicht unbedingt aus Traurigkeit, sondern weil etwas Schönes passiert ist, oder weil man einfach etwas loslassen muss. Danach fühlt man sich oft erleichtert. Ich finde es schwierig, alte Bilder von mir zu sehen und mich nicht wiederzuerkennen – und doch lebt all das in mir weiter. Es gibt etwas Wesentliches aus dieser Zeit, das auch heute noch Teil meines Ichs ist. Mich interessiert genau dieses nicht-binäre Dazwischen, dieses Sowohl-als-auch.
Die Werke wirken so vielschichtig - visuell, emotional und symbolisch. Was hoffst du, dass die Menschen sehen oder fühlen, wenn sie vor den Werken stehen?
Ich wünsche mir, dass sich die Menschen gesehen und verstanden fühlen – mit all ihren Facetten. Auch wenn die Welt oft versucht, uns auf eine einzige Identität, ein einziges Label festzulegen, sind wir so viel mehr. Bevor ich als Illustratorin gearbeitet habe, hatte ich bereits eine ganz andere berufliche Laufbahn hinter mir. Es ist möglich, sich neu zu erfinden. Es ist möglich, verschiedene Dinge gleichzeitig zu sein. Der Beruf, das Geschlecht, die soziale Herkunft – all das muss uns nicht definieren. Ich möchte, dass meine Arbeiten genau das vermitteln: Wir dürfen vielschichtig, widersprüchlich, im Wandel sein.